Perfekt inszeniert

17.04.2015 15:01

Maik M. Graske

Ein Theaterstück vom Feinsten konnte ich in den letzten Wochen in Rostock erleben. Aber erstmal zum Ursprung.

15 Jahre hat die Bürgerschaft über das Volkstheater Rostock debattiert. 2013 konnte man sich endlich mehrheitlich darauf einigen, dass die Kosten des Theaters nicht im Verhältnis zur durchaus notwendigen Kulturförderung stehen und Strukturveränderungen nötig sind. Bis dahin steckten Stadt und Land täglich ca. 50.000 € (ein Mittelklassewagen) ins Theater. Dagegen wurden ca. 7% des Zuschusses als Einnahmen generiert. Nach einer Ausschreibung für die Intendanz war der Kurs klar und Herr Latchinian bekam den Zuschlag. Als angestellter Geschäftsführer erhielt er die Aufgabe, diese Strukturveränderungen durchzuführen. Er bekam den vertraglichen Anreiz einer Prämie bei Erhöhung der 7-%-Einnahmenquote.

Die OZ titelte am 24.04.2013 „Neuer Intendant empfiehlt sich mit Rotstift fürs Volkstheater – Sewan Latchinian (51) ab 2014 bestätigt. Zwei Sparten reichen ihm“.

Und nun beginnt die Inszenierung. Ich möchte hier keine Wertung über die künstlerischen Qualitäten von Herrn Latchinian abgeben, aber seinen Auftrag scheint er falsch verstanden zu haben. Wo es nur möglich ist, doziert er über die Unfähigkeit von Politik und Verwaltung, das Theater und die damit verbundenen Haushaltsgestaltung zu verstehen. Eine Zeitlang hatte ich den Eindruck, dass diese Stadt ausschließlich auf das Volkstheater reduziert wurde.

Herr Latchinian griff seinen Arbeitgeber an, verunsicherte seine eigenen Angestellten mit utopischen Kündigungsszenarien, schürte Uneinigkeit und ängstliche Unsicherheit bei einigen Abgeordneten betreffend der Strukturänderungen (Zitat: „Wir wissen jetzt ganz genau, wo die Frontlinie dieses Kulturkampfes verläuft, wer Freund, wer Feind ist. Es war eine namentliche Abstimmung.“) und stellte die bisherige Arbeit seiner Kollegen in ein verdammt schlechtes Licht.

In der regionalen und überregionalen Presse fand Herr Latchinian ebenfalls eifrige Mitspieler. Überregional wurde geschrieben, dass Rostock sich in dieser Kulturdebatte bundesweit blamiert, aber weder Politiker, Theaterfreunde oder die Stadtverwaltung haben diese Nachrichten in die Ferne getragen, sondern ausschließlich Herr Latchinian selbst. Die Hansestadt wirbt mit großem Aufwand für ihren überregionalen Ruf und Herr Latchinian macht das in kürzester Zeit zunichte. Die regionale Presse beschrieb wiederholt, dass die Rostocker Bevölkerung voll hinter Latchinian steht, dazu einige Zahlen.

Bei den Demos auf dem neuen Markt konnte ich max. 400 Theaterfreunde, stellenweise weniger entdecken. Das sind nach meiner Rechnung 0,2 % der Rostocker Bevölkerung.

Es fielen immer wieder die Worte „Rostock wird eine Stadt der Unkultur“, „Stadt der Kulturlosen“ oder „Ohne vier Sparten stirbt die Kultur“. Diese Aussagen sind für alle anderen Kulturschaffenden ein Schlag ins Gesicht. Nimmt man die Inanspruchnahme auf die Bürger bezogen, machen die freie Kultur, die Museen, die Stadt- und die Kunsthalle ca. 95 % der Rostocker Kultur aus. Das Amt für Kultur hat für die Unterstützung dieser rund 4 Mio. € zur Verfügung. Das Volkstheater bedient gerade mal 5 % und wird auch weiterhin mit 17 Mio. bezuschusst.

Nun noch einige Worte zum Oberbürgermeister Roland Methling. Herr Methling kämpft ebenfalls seit seinem Amtsantritt für ein Theater, das seinen kulturellen Bildungsauftrag planungssicher erfüllen kann. Er hat es maßgeblich geschafft, die Zuschüsse von Land und Stadt bis 2020 in der jetzigen Höhe zu sichern und danach inflationsbereinigend zu dynamisieren. Weiterhin arbeitet er ebenfalls seit dieser Zeit an einem dringend notwendigen Theaterneubau, der durch die schlechte Substanz des Großen Hauses dringen notwendig ist. Eine mehr als vernünftige Arbeit am Volkstheater ist also gesichert.

Betrachtet man diese Fakten, muss das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Herrn Latchinian vollständig zerstört sein, was eine fristlose Kündigung aus besonderem Grund mehr als rechtfertigt.

Zum Schluss Einiges zu den Fans von Herrn Latchinian. Ich habe viele Mails zugunsten Herrn Latchinians gelesen. Diese Schreiber haben sich nicht informiert und faktenfern votiert. Bewegt hat mich dabei eine Mail vom Innerstädtisches Gymnasium Rostock, in der der Vorsitzende der Schulkonferenz im Namen der Eltern, Schüler und Lehrer schreibt: „Für uns ist es DIE große Leistung von Herrn Latchinian, dass er mit aller Kraft versucht hat, das Volkstheater wieder stärker in den Schulen zu verankern und damit im allerbesten Sinn in Bildung für Kinder investiert hat.“ Nach Rücksprache mit dem Volkstheater, waren in der Vergangenheit immer Bemühungen des Hauses (sogar mit schulpädagogischer Unterstützung) vorhanden, wurden aber durch die Schulen nicht in gewünschtem Maße angenommen. Vielleicht sollten Sie für diesen Bildungswunsch zuerst die Verantwortlichen in den Schulen ansprechen.

Maik M. Graske

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